Interview

Arbeitslosigkeit im Lebenslauf – ein Stigma?

Eine aktuelle Studie kommt zum Schluss, dass Personalverantwortliche sehr zurückhaltend reagieren, wenn Stellensuchende in ihrem CV Lücken aufweisen. Wir nehmen diese Studie zum Anlass, Anna Schütz, Leiterin Arbeitsmarktintegration im Lernwerk, ein paar Fragen zu stellen.


Eine aktuelle Studie der Universität Basel kommt zum Schluss, dass zwar nicht Arbeitslosigkeit per se die Arbeitsmarktchancen mindert, Personalverantwortliche aber mitunter sehr zurückhaltend reagieren, wenn Stellensuchende in ihrem CV häufige Jobwechsel, befristete Tätigkeiten oder gar Nichterwerbsphasen aus gesundheitlichen Gründen ausweisen.

Anna Schütz, Leiterin Arbeitsmarktintegration im Lernwerk, und ihr Team beraten täglich Betroffene und erzielen – trotz negativer Vorzeichen – immer wieder beachtliche Erfolge.

Wo setzt das Lernwerk an, damit HR-Verantwortliche die Stellenbewerbungen unserer Teilnehmenden nicht gleich wieder aussortieren?

Wir schauen die Lebensläufe genau an. Wir arbeiten mit den Stellensuchenden, bis sie ihre Lücken im CV vervollständigt und Werdegang, Erfahrungen und Kompetenzen stringent und präzise zusammengetragen haben. Sicher, die Teilnehmenden, die im Lernwerk ein Integrationsprogramm absolvieren, stecken in einer Phase der Arbeitslosigkeit. Aber sie sitzen ja nicht herum, sondern setzen sich engagiert damit auseinander, wie sie sich persönlich oder beruflich neu orientieren können. Das lässt sich im CV positiv hervorheben.

Bei Teilnehmenden, die beispielsweise vom RAV her kommen, ist der Druck hoch, so rasch wie möglich irgendeine Stelle anzunehmen. Viele Bewerbungen, viele Absagen – das ist doch frustrierend!

Darum schreiben Teilnehmende im Lernwerk auch nicht nur Bewerbungen. Das Motto im Lernwerk lautet «Arbeit, Bildung, Beratung». Die Programmteilnehmenden sammeln an einem internen oder externen Arbeitsplatz neue Erfahrungen, ihr Tag erhält wieder eine Struktur. Das lenkt von negativen Gedanken ab. Statt dass sie sich verzweifelt für jeden Job bewerben, unterstützen wir sie dabei, eine individuell passende Bewerbungsstrategie zu erarbeiten.
Oft stellt sich dabei auch heraus, dass Bildungslücken zu füllen sind.

Das Lernwerk bietet dafür eine Reihe passender Fördermodule. In der lösungsfokussierten Beratung geht es schliesslich darum, alternative Sichtweisen und Perspektiven zuzulassen, persönliche Einstellungen zu ändern und den eigenen Denk- und Handlungsspielraum zu erweitern.

Interne Arbeitsplätze in der Küche

Was, wenn Teilnehmende sich aus gesundheitlichen Gründen neu orientieren müssen? Das scheint ein grosses Stigma bei der Stellensuche zu sein.

In der Zusammenarbeit mit der IV haben wir umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Wir sind froh, auf einen Partner zu zählen, der Betroffenen Aufbau- und Belastbarkeitstrainings ermöglicht und nach Möglichkeiten auch Coaching und Umschulung finanziert. Dass Krankheit und Unfall jeden treffen können, dies aber nicht zwingend den Ausstieg aus dem Berufsleben bedeuten muss, ist heute in der Arbeitswelt glücklicherweise fast allen bewusst.

Sind Personalverantwortliche wirklich so, wie uns die Studie weismachen will?

In der Arbeitswelt ist gerade sehr vieles im Umbruch. Die Digitalisierung bringt teilweise ganz neue Herausforderungen. Davon sind nicht nur Stellensuchende, sondern auch HR-Verantwortliche betroffen: Der ideale Mitarbeitende, den sie suchen, ist erfahren, dynamisch, flexibel, belastbar, gut gebildet und kaum über dreissig ...

Doch in unserer Arbeit begegnen wir zum Glück auch den anderen Personalern: Sie lassen sich durchaus auf Menschen mit weniger gradlinigen Biografien ein, die Schicksalsschläge hinter sich haben und manchmal sogar angegrautes Haar tragen. Ein externer befristeter Arbeitseinsatz kann ein erster Schritt sein, um sich besser kennenzulernen, um einen künftigen Mitarbeitenden sorgfältig an neue Aufgaben heranzuführen oder auch einfach, um jemandem die Möglichkeit zu geben, in einem geregelten beruflichen Alltag wieder Mut zu fassen und den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.