Hinter einer unscheinbaren Tür im ersten Stock des Lernwerk-Hauptgebäudes befindet sich die Wäscherei; sie ist die Schaltzentrale der Hauswirtschaft. Sobald man die Tür öffnet und in den hellen, offenen Raum tritt, kommt einem ein frischer Duft entgegen. Um einen grossen Tisch sitzen 13 Jugendliche und Erwachsene sowie Hans-Peter. Gemeinsam mit Mirjam leitet er die Arbeitsgruppe Hauswirtschaft. Hier werden auch zwei Lernende (Lernender Hauswirtschaftspraktiker EBA, Fachmann Hauswirtschaft EFZ) ausgebildet.
Die Teilnehmenden dieser Arbeitsgruppe reinigen die Räumlichkeiten des Vereins Lernwerk und jene in angrenzenden Gebäuden. Sie führen Reinigungsaufträge aus, waschen die Arbeitskleidung aller Lernwerk-Mitarbeitenden sowie externer Kunden und sorgen dafür, dass die Wasserschloss Business-Apartments immer blitzsauber sind.
«Wie wichtig unsere Arbeit ist, merkt man erst, wenn sie nicht mehr gemacht wird», stellt Hans-Peter fest. Die Teilnehmenden der Arbeitsgruppe halten am Ende des Tages ihr Werk zwar nicht in Händen, aber sie können es überall sehen, wenn sie durch die Gänge der ehemaligen Bronzewarenfabrik AG (BAG) gehen oder anderen Teilnehmenden begegnen. Und das ist durchaus ein Grund, Stolz zu empfinden.
8.00 Uhr: Morgen-Appell
Die Uhr in der Wäscherei zeigt jetzt Punkt 8.00 Uhr – Zeit für die Arbeitsverteilung. Hans-Peter kontrolliert, wer von den Programmteilnehmenden anwesend ist. Er braucht sie nicht einzeln aufzurufen, denn er kennt seine Mitarbeitenden gut und sieht sofort, wer da ist und ob jemand fehlt. Er teilt die Teilnehmenden in kleine Gruppen ein und weist ihnen verschiedene Arbeiten zu. Rasch zerstreut sich die Gruppe; ein paar wenige bleiben in der Wäscherei, andere schnappen sich die Hefte mit den Anleitungen für die verschiedenen Reinigungsvorgänge.
Hans-Peter legt grossen Wert auf die Schulung seiner Teilnehmenden. Zwar werden nur wenige auch künftig in der Hauswirtschaft tätig sein, aber darum geht es nicht. Im Lernwerk erhalten sie Routine, lernen Verantwortung zu übernehmen und ihre Arbeiten pflichtbewusst und zuverlässig auszuführen – Qualitäten, die in jeder Branche gefragt sind.
Theoretisches und praktisches Lernen
Einige Teilnehmende haben vor ihrem Einsatz im Lernwerk bereits in der Hauswirtschaft gearbeitet, andere nicht. Damit trotzdem alle ihre Arbeit fachgerecht erledigen können, gibt es regelmässige Schulungen in sechs verschiedenen Modulen. «Zuerst sehen wir uns die Unterlagen an, dann setzen wir das Gelernte direkt in die Praxis um», erklärt Hans-Peter. Die Teilnehmenden erhalten Handouts zu den einzelnen Themen; nach den Schulungen quittieren sie auf einem Formular ihre Anwesenheit. So behalten die Kursleitenden die Übersicht, wer welche Schulungen absolviert hat. Aber auch, wer noch an keiner Schulung dabei war, wird nicht ins kalte Wasser geworfen. Die Hauswirtschaft arbeitet nach dem Götti-Prinzip: Teilnehmende, die schon länger dabei sind, unterstützen die, die neu dazukommen.
Hans-Peter, Teilnehmende und Lernender Fachmann Hauswirtschaft EFZ während einer praktischen Schulung
Unterschiedliche Menschen brauchen unterschiedliche Betreuung
Die Wäscherei ist jetzt vom Summen und Brummen der Waschmaschinen und Tumbler erfüllt; hin und wieder zischt der Dampf an den Bügelstationen. Im hinteren Teil des Raums erklärt eine jüngere Teilnehmende einem älteren, wie er ein Formular ausfüllen muss. In den Arbeitsgruppen arbeiten ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Die Teilnehmenden kommen über verschiedene Programme ins Lernwerk: manche über die IV, andere durch FitAttest, ein Berufsvorbereitungsjahr für Jugendliche. Diese heterogene Zusammensetzung verlangt von den Arbeitsgruppenleitenden, dass sie die einzelnen Teilnehmenden entsprechend ihren individuellen Zielen, ihrem Wissen und ihrer Belastbarkeit einsetzen. Fördern, aber nicht überfordern lautet die Devise. Hans-Peter ergänzt: «Ich bin die Gehhilfe für die Teilnehmenden, aber laufen müssen sie selber.» Denn der Einsatz im Lernwerk verbessert die Chancen der Teilnehmenden auf einen Wiedereinstieg im ersten Arbeitsmarkt.
Arbeiten wie im ersten Arbeitsmarkt
Andreas**, einer der Teilnehmenden, legt einen Zettel auf den grossen Tisch in der Wäscherei – er muss eine Absenz unterschreiben lassen, am Vortag war er krank. Es sei schon eine Herausforderung externe Aufträge zu koordinieren und zu planen, sagt Hans-Peter. Denn wie viele Teilnehmende an einem Tag wirklich zur Verfügung stehen, weiss man erst, wenn sie morgens um den grossen Tisch sitzen. Trotzdem ist die Zusammenarbeit mit externen Kunden wichtig, denn sie schafft eine Nähe zum ersten Arbeitsmarkt und bereitet die Teilnehmenden so optimal auf ihren Wiedereinstieg vor.
Schliesslich schätzen die Kunden die Zusammenarbeit mit dem Lernwerk – auch weil sich die Hauswirtschaft den Kundenbedürfnissen und dem Markt anpasst. Hans-Peter erklärt: «Die Waschmaschinen verbrauchen wenig Wasser, wir waschen und trocknen bei niedrigen Temperaturen und die Reinigungsmittel sind biologisch abbaubar.» Ausserdem ist die Hauswirtschaft des Lernwerks trotz oder gerade wegen ihrer Grösse für ihre Flexibilität und Kundennähe bekannt.
Zufriedene Mitarbeitende leisten gute Arbeit
Für Hans-Peter steht aber nicht nur die Kundenzufriedenheit im Fokus, die Zufriedenheit der Teilnehmenden ist ihm ebenso wichtig: «Wer selbstbewusst und zufrieden ist, leistet auch gute Arbeit.» Dass er nicht einfach so daherredet, bestätigt mir Lea**. Sie ist seit Anfang Jahr in der Arbeitsgruppe Hauswirtschaft und schätzt Hans-Peter als Arbeitsgruppenleiter: «Er geht auf die Menschen zu, sieht und spürt, wie es ihnen geht. Er versteht es, uns zu motivieren. So, wie es sein muss!»
Manchen Teilnehmenden mag es zwar schwerer fallen, sich zu motivieren. Trotzdem rät Lea: «Seid offen, lasst euch auf die Arbeit ein.» Dass nicht jede Arbeit gleich viel Spass macht, ist klar. «Aber», fügt sie an, «die Hauswirtschaft ist vielseitig und ich gehe am Abend mit einem guten Gefühl nach Hause.»
* Julia Gründisch (Bachelor Organisationskommunikation) arbeitet als freie Mitarbeiterin Kommunikation für Girod Gründisch Visuelle Kommunikation SGD. Sie absolviert am IAM der ZHAW Winterthur den Master in Organisationskommunikation und schreibt regelmässig für den Verein Lernwerk. |
** Uns ist der Schutz der Teilnehmenden an Lernwerk-Programmen wichtig. Der Name ist der Redaktion bekannt.