Interview

«Ich bin mit Leib und Seele Gastronom»

Nach siebeneinhalb Jahren verlässt Walter Gaberthüel den Verein Lernwerk und kehrt auf seine Pensionierung in die Bündner Berge zurück. Gemeinsam erinnern wir uns an die Anfänge der Kantine Wasserschloss und sprechen über seine Arbeit, die den Betrieb nachhaltig geprägt hat.


Julia Gründisch: Walter Gaberthüel, wie bist du vor über sieben Jahren zum Verein Lernwerk gekommen?

Walter Gaberthüel: Das Lernwerk hat eine Person gesucht, die konzeptionell arbeiten kann und Erfahrung in der Gastronomie mitbringt. Die Planung war in vollem Gang, erste Ideen zum Konzept waren bereits festgehalten. Als ich meine Arbeit am 1. Mai 2012 aufnahm, habe ich direkt damit begonnen, das Konzept für den Gastronomiebetrieb Wasserschloss gemeinsam mit meinem Chef Christian Bolt zu überarbeiten. Wir mussten uns überlegen, wie wir den Ort mit Leben füllen können.

Wie sah das Gebäude damals aus, wie seid ihr im Umbau vorgegangen?

Die Kantine war zuvor das Lichttechnische Labor der BAG. Wir mussten das ganze Gebäude aushöhlen, bevor wir im Winter 2012/13 mit dem Umbau beginnen konnten. Aber es reichte nicht, einfach eine Küche und einen Speisesaal einzubauen. Wir haben uns zum Beispiel einen ganzen Tag Zeit genommen, um mit einem Experten das Selbstbedienungsbuffet zu planen – wie viele Schalen müssen Platz finden, was gilt es zu kühlen und wo braucht es Strom? Bei solchen Fragen hatten wir Hilfe.

Welche Ziele hast du dir für die Gastronomie Wasserschloss gesetzt?

Meine Ziele ergaben sich natürlich aus den Budgetvorgaben; wir investierten viel in den Umbau. Meine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass wir mit diesen Investitionen schwarze Zahlen schreiben. Daneben war es mir aber persönlich wichtig, mit der Gastronomie Wasserschloss einen Ort zu schaffen, den man kennt und an dem man sich trifft. Das passiert natürlich nur, wenn man eine konstant hohe Servicequalität bietet. Aber wenn ich etwas mache, dann mache ich es ganz oder gar nicht! Ich bin mit Leib und Seele Gastronom.

Wie hast du es geschafft, den Gastronomiebetrieb Wasserschloss bekannt zu machen?

Als Betrieb im zweiten Arbeitsmarkt können wir keine Werbungen schalten, sondern sind auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen. Mit der Eröffnung am 22. April 2013 haben wir den Startschuss gesetzt. An die Einweihungsfeier im Juni 2013 kamen mehrere hundert Personen, und kurz darauf erhielten wir die ersten Anfragen für ein Catering. Ich habe immer viel Zeit in den Kontakt mit unseren Gästen investiert. So versuche ich, bei allen Anlässen selbst vor Ort zu sein, und bin erst zufrieden, wenn es unsere Gäste auch sind – das hat sich gelohnt. Aus jedem Anlass – sei es ein kleiner Apéro oder ein Catering für einen 50. Geburtstag – hat sich ein neuer Auftrag ergeben.

Wie sorgt ihr dafür, dass ihr immer genug Arbeit für die Teilnehmenden habt?

Unser Betriebskonzept wurde auf vier Standbeinen gebaut. Wir führen die Betriebskantine für die Mitarbeitenden und für externe Gäste. Dann haben wir einen Take-away mit Lounge, in dem man sich den ganzen Tag verpflegen kann. Als Drittes gibt es die Caterings. Bereits 2012 kam die erste Anfrage einer Kita für den Mahlzeitenservice, das ist jetzt unser viertes Standbein. Mittlerweile liefern wir bis zu 240 Mahlzeiten an 11 Standorte. Diese unterschiedlichen Aufgaben geben uns die Möglichkeit, die Teilnehmenden den ganzen Tag zu beschäftigen, auch am Nachmittag, wenn der Mittagsservice vorbei ist. Viele Programmteilnehmende finden es auch toll, wenn sie an Caterings mithelfen können – so sehr, dass sie auch gerne einmal an einem Samstag arbeiten.

Wie hat sich deine Arbeit seit 2013 verändert?

Bis vor etwa drei Jahren habe ich regelmässig in der Küche mitgearbeitet. Seit wir vier Arbeitsgruppenleitende haben, kommt das nicht mehr oft vor. Heute bin ich stärker in der Planung, Administration und Koordination tätig und besuche unsere Kunden, um Anlässe zu besprechen. Ich kann mich dabei auf ein erfahrenes und eingespieltes Team verlassen – sei es das Küchenteam um Yves Junker oder, wenn es um Caterings geht, meine rechte Hand Anja Müller.

Welches Ereignis aus deiner Zeit beim Lernwerk wird dir besonders in Erinnerung bleiben?

Die Gewerbeausstellung im Jahr 2016. Damals führte der Gewerbeverein Wasserschloss auf dem ganzen Areal eine Ausstellung durch. Wir hatten einen Stand mit Grill, an dem wir Würste und – passend zum Namen der Lokalität – Wasserbüffelsteaks anboten. Wir wurden förmlich überrannt. Während den drei Ausstellungstagen habe ich kaum geschlafen, aber viele Mitarbeitende des Lernwerks halfen am Grill und hinter der Bar mit. Es war ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Dieses Ereignis nehme ich mit, es war ein Fixpunkt in meiner Karriere.

Was sind deine Pläne nach dem Lernwerk?

Ich wohne eigentlich in Laax im Bündnerland. Ab dem Winter würde ich gerne bei den Bergbahnen in der Gastronomie aushelfen – ich bin und bleibe Gastronom. Dann ist da noch dieser Traum: In meiner Jugend habe ich im Sommer ein paar Wochen auf einer Alp mitgearbeitet. Das möchte ich noch einmal erleben.

Mit Walter Gaberthüel verlässt unser langjähriger Gastrochef den Verein Lernwerk. Er übergibt das Zepter an Torsten Zschorsch, 55, der ab Oktober die Leitung des Gastronomiebetriebs Wasserschloss übernehmen wird. Der gelernte Koch und Gastronom hat seine Laufbahn als Küchenchef vor 25 Jahren in Zermatt gestartet. Danach war er in Zürich und im Tessin in der Gastronomie tätig. Nach mehreren Weiterbildungen sucht er im Lernwerk nun eine neue Herausforderung: «Mich interessiert, wie hier die Gastronomie in den sozialen Bereich integriert ist. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Programmteilnehmenden und darauf, diese bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen!»