Die Mitarbeitenden in den Sozialen Betrieben des Lernwerks werden im sogenannten Teillohnmodell angestellt. Sie beziehen die materielle Unterstützung nicht als Auszahlung der Sozialhilfe, sondern als Salär für ihre Arbeit. Der Lohn wird vom Sozialdienst refinanziert. Das Lernwerk bezahlt die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen und alle weiteren administrativen Leistungen, die mit einer regulären Anstellung verbunden sind.
Man kann sich durchaus fragen, weshalb diese Menschen für ein wenig mehr Geld, als die staatliche materielle Hilfe zu leisten vermag, jeden Tag arbeiten gehen. Das können wohl nur Personen verstehen, die schon einmal selbst erfahren haben, was eine längerfristige Arbeitslosigkeit mit einem anstellt. In unserer Gesellschaft ist die Arbeitstätigkeit einer der obersten Werte. Fällt sie weg, zweifelt man täglich mehr an sich und den eigenen Fähigkeiten, produziert zunehmend soziale Ängste, was zu veritablen physischen und/oder psychischen Erkrankungen führen kann.
Mit dem Teillohnmodell bietet das Lernwerk eine Integrationsmassnahme, die dieser Problematik entgegenwirkt. Die Mitarbeitenden in unseren Betrieben nehmen durch ihre Anstellung wieder am gesellschaftlichen Leben teil. Sie stehen morgens auf und gehen zur Arbeit; sie sind in Kontakt mit Kunden und arbeiten zielgerichtet mit ihren Kolleginnen und Kollegen zusammen. Wer bei uns arbeitet, erbringt täglich Wertarbeit innerhalb des ersten Arbeitsmarktes.
Rückhalt in schwierigen Zeiten
Dass dieses Modell funktioniert und die Chancen auf den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt verbessert, zeigt die Geschichte von Alexandra*. Sie war zwei Jahre lang als Teillohnmitarbeiterin im Lernwerk tätig. Im Gastronomiebetrieb Wasserschloss hat sie in der Cafeteria Getränke und Snacks verkauft und die Kasse bedient. Alexandra ist ausgebildete Detailhandelsverkäuferin, und nach der Ausbildung war es ihr Wunsch, in einer Boutique zu arbeiten. Als alleinerziehende Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern blieb ihr dieser Traum wegen der unregelmässigen Arbeitszeiten an Abenden und an den Wochenenden jedoch verwehrt.
Alexandra hatte mit Depressionen zu kämpfen und benötigte ärztliche Hilfe. Die Arbeit im Lernwerk und der Rückhalt im Gastro-Team boten ihr den Halt, den sie in dieser schwierigen Zeit brauchte. Mit der Zeit hat sie ihr Strahlen und ihre positive Einstellung wiedergefunden.
Anfang Jahr ist ihr Traum endlich in Erfüllung gegangen: Sie arbeitet seit dann in der Boutique eines grossen Modehauses als Teilzeitmitarbeiterin. «Die Arbeit im Lernwerk hat mir gezeigt, dass es viele Wege gibt seinen Traumjob zu finden.»
Eine Chance, wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen
Auch Lukas* ist Teillohnmitarbeiter im Lernwerk. Er ist seit eineinhalb Jahren fester Bestandteil des Teams im Sozialen Betrieb Facility Services. Im Rahmen seiner Arbeit reinigt er selbstständig die Treppenhäuser einer grossen Überbauung und hilft bei Wohnungsreinigungen mit. Jeden Morgen sitzt er – 20 Minuten vor Arbeitsbeginn – mit Kollegen bei einem Kaffee zusammen und tauscht sich mit ihnen über sein Leben und die bevorstehenden Tageseinsätze aus.
Lukas hat einen steinigen Weg hinter sich, raus aus Sucht, Schuldenbergen und Verwahrlosung zurück in einen geregelten Tagesablauf. Heute sagt er mit einem Lächeln: «Ich habe mich gefangen, habe wieder Mut zum Leben gefasst.» Für Lukas bietet die Arbeit aber nicht nur einen geregelten Rahmen, es ist auch seine Chance, wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen. Er ist zuversichtlich, dass er bald eine Festanstellung in einem Reinigungsunternehmen finden wird. Er bewirbt sich fleissig.
Alexandra und Lukas sind nur zwei Beispiele dafür, welchen Einfluss ein geregelter Tagesablauf und eine Arbeitsstelle auf Menschen haben können. Dass das Modell funktioniert, zeigen ihre Erfolgsgeschichten.
*Namen geändert.